Unter einer arglistigen Täuschung im Kaufvertrag versteht man, dass eine Vertragspartei den anderen Teil vorsätzlich durch falsche Angaben oder das bewusste Verschweigen wichtiger Tatsachen zum Vertragsabschluss veranlasst. Ziel ist es, den anderen zu täuschen, um sich einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen. Liegt eine solche Täuschung vor, ist der Vertrag nach § 123 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anfechtbar – der Geschädigte kann den Vertrag rückgängig machen und gegebenenfalls Schadensersatz verlangen.
Was bedeutet arglistige Täuschung im Kaufvertrag?
Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn eine Vertragspartei die andere durch bewusst unrichtige Erklärungen, falsche Zusicherungen oder durch Verschweigen relevanter Tatsachen zum Abschluss eines Vertrags bringt. Im juristischen Sinne handelt es sich um eine Täuschungshandlung, die darauf abzielt, beim Gegenüber eine Fehlvorstellung zu erzeugen, die den Entschluss zum Vertragsschluss beeinflusst.
Ein klassisches Beispiel aus dem Immobilienrecht ist, wenn ein Verkäufer dem Käufer Mängel an der Immobilie verschweigt oder falsche Angaben über den Zustand macht – etwa über Feuchtigkeit, Asbest, Schimmel oder bestehende Rechtsstreitigkeiten.
Rechtsgrundlage: § 123 BGB
Die gesetzliche Grundlage findet sich in § 123 Abs. 1 BGB:
„Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.“
Das bedeutet: Wenn eine Vertragspartei durch Täuschung zum Abschluss eines Vertrags bewegt wurde, kann sie den Vertrag anfechten. Wird die Anfechtung erfolgreich erklärt, gilt der Vertrag als von Anfang an nichtig.
Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung
Damit eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung wirksam ist, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
- Täuschungshandlung: Eine Partei verschweigt bewusst einen relevanten Umstand oder gibt falsche Tatsachen an.
- Arglist: Der Täuschende handelt vorsätzlich – er weiß, dass seine Angaben falsch sind oder dass das Verschweigen den anderen täuscht.
- Kausalität: Die Täuschung muss ursächlich für den Vertragsabschluss gewesen sein.
- Willensmangel: Der Getäuschte schließt den Vertrag in Unkenntnis der wahren Sachlage.
Fehlt einer dieser Punkte, liegt keine arglistige Täuschung im rechtlichen Sinne vor.
Beispiele aus der Praxis
Arglistige Täuschung kommt besonders häufig bei Immobiliengeschäften oder beim Verkauf hochwertiger Güter vor. Typische Beispiele sind:
- Ein Verkäufer verschweigt einen bestehenden Wasserschaden oder Schimmelbefall in der Immobilie.
- Die Immobilie wird als „neuwertig“ bezeichnet, obwohl gravierende Sanierungsrückstände bestehen.
- Ein Gebrauchtwagen wird als „unfallfrei“ verkauft, obwohl ein schwerer Schaden bekannt ist.
- Ein Makler oder Verkäufer macht falsche Angaben zur Wohnfläche oder Energieeffizienz.
In all diesen Fällen wird der Käufer durch bewusste Falschinformationen in die Irre geführt – ein klarer Fall für die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.
Arglistige Täuschung durch Verschweigen
Nicht nur aktive Falschangaben, sondern auch das bewusste Verschweigen wichtiger Informationen kann als Täuschung gelten. Das gilt insbesondere, wenn der Täuschende zur Aufklärung verpflichtet ist. Solche Aufklärungspflichten bestehen beispielsweise beim Verkauf einer Immobilie, wenn dem Verkäufer Mängel bekannt sind, die der Käufer nicht erkennen kann. Wer diese Informationen absichtlich zurückhält, begeht eine Täuschung durch Unterlassen.
Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Verkäufer etwa Feuchtigkeitsschäden überstreicht, um sie zu verbergen, oder Altlasten im Boden nicht erwähnt. Das bewusste Verschweigen solcher Umstände erfüllt den Tatbestand der Arglist.
Rechtsfolgen bei arglistiger Täuschung
Wird eine Täuschung nachgewiesen, kann der Geschädigte den Vertrag anfechten. Die wichtigsten Rechtsfolgen sind:
- Anfechtung des Vertrags: Der Vertrag wird rückwirkend für nichtig erklärt (§ § 142 BGB).
- Rückabwicklung: Bereits erbrachte Leistungen (z. B. Kaufpreiszahlung, Eigentumsübertragung) müssen zurückgewährt werden.
- Schadensersatz: Nach § 826 BGB kann der Geschädigte bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung Schadensersatz fordern.
In der Praxis bedeutet dies: Der Käufer gibt die Immobilie zurück und erhält sein Geld zurück, während der Verkäufer zusätzlich für etwaige Kosten (Notar, Gutachten, Renovierungen) aufkommen muss.
Anfechtungsfrist
Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung muss innerhalb eines Jahres erfolgen, nachdem der Getäuschte die Täuschung entdeckt hat (§ § 124 Abs. 1 BGB). Danach ist die Anfechtung ausgeschlossen. Wichtig: Die Frist beginnt erst, wenn der Käufer von der Täuschung Kenntnis erlangt – nicht bereits mit Vertragsschluss.
Beweislast und Nachweis der Täuschung
Die größte Herausforderung in der Praxis ist der Nachweis der Arglist. Der Käufer muss belegen, dass:
- der Verkäufer falsche Angaben gemacht oder Informationen bewusst verschwiegen hat,
- er diese Täuschung kannte oder billigend in Kauf nahm,
- und dass die Täuschung ursächlich für den Vertragsabschluss war.
Hilfreich sind hier schriftliche Aussagen, Gutachten, Zeugenberichte oder Indizien, wie etwa vorherige Sanierungen, Dokumente oder Korrespondenzen, die das Wissen des Täuschenden belegen.
Besonderheiten beim Immobilienkauf
Im Immobilienkaufrecht ist die arglistige Täuschung besonders bedeutsam, da häufig Gewährleistungsausschlüsse vereinbart werden („gekauft wie gesehen“). Diese schließen jedoch nach § 444 BGB keine Haftung aus, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Der Käufer kann den Vertrag dann trotz Haftungsausschluss anfechten oder Schadenersatz fordern.
Beispiel: Ein Verkäufer weiß, dass die Kellerabdichtung mangelhaft ist und regelmäßig Wasser eindringt, verschweigt diesen Umstand jedoch im Exposé und beim Verkaufsgespräch. Entdeckt der Käufer den Schaden später, kann er wegen arglistiger Täuschung anfechten.
Unterschied zwischen arglistiger Täuschung und Betrug
Die arglistige Täuschung ist ein zivilrechtlicher Tatbestand, während Betrug (§ § 263 Strafgesetzbuch – StGB) eine strafrechtliche Handlung darstellt. Beide beruhen auf Täuschung, unterscheiden sich aber in den Rechtsfolgen:
- Arglistige Täuschung: führt zur zivilrechtlichen Anfechtung oder Schadenersatzpflicht.
- Betrug: kann zusätzlich strafrechtlich verfolgt werden und mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet werden.
In der Praxis kann eine arglistige Täuschung also sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Konsequenzen haben.
Fazit: Arglistige Täuschung – Schutzmechanismus für Vertragspartner
Die arglistige Täuschung ist ein wirksames rechtliches Instrument, um Käufer und Vertragspartner vor betrügerischem Verhalten zu schützen. Wer durch bewusste Falschangaben oder Verschweigen getäuscht wurde, kann den Vertrag anfechten und Schadenersatz verlangen. Besonders im Immobilienbereich, wo hohe Werte im Spiel sind, ist Transparenz entscheidend. Käufer sollten stets auf vollständige Offenlegung bestehen – und Verkäufer sollten bedenken, dass arglistiges Verhalten nicht nur rechtlich, sondern auch finanziell schwerwiegende Folgen haben kann.




