Der Bewertungsfaktor – auch Vervielfältiger genannt – ist eine zentrale Kennzahl der Immobilienbewertung. Er beschreibt das Verhältnis zwischen dem Kaufpreis einer vermieteten Immobilie und ihrer Jahresnettokaltmiete. Mit seiner Hilfe lässt sich der ungefähre Marktwert eines Objekts schnell abschätzen, indem die Jahresmiete mit dem jeweiligen Bewertungsfaktor multipliziert wird. Der Faktor variiert je nach Lage, Zustand, Objektart und Marktsituation und ist ein wesentliches Instrument für Investoren, Gutachter und Immobilienmakler zur Einschätzung der Rentabilität und Preisangemessenheit eines Objekts.
Was ist der Bewertungsfaktor?
Der Bewertungsfaktor dient dazu, den ungefähren Marktwert einer vermieteten Immobilie auf Basis ihrer erzielbaren Mieteinnahmen zu ermitteln. Er drückt aus, das Wievielfache der Jahresnettokaltmiete Käufer bereit sind, für ein Objekt zu bezahlen. Je höher der Faktor, desto teurer ist die Immobilie im Verhältnis zu ihren Mieterträgen – und desto geringer die laufende Rendite.
Beispiel:
Eine Immobilie erzielt eine Jahresnettokaltmiete von 20.000 €.
Liegt der Bewertungsfaktor bei 25, beträgt der geschätzte Immobilienwert:
20.000 € × 25 = 500.000 €
Damit zeigt der Bewertungsfaktor, wie viele Jahresmieten dem Kaufpreis entsprechen – oder anders gesagt, nach wie vielen Jahren sich die Investition allein durch Mieteinnahmen theoretisch amortisieren würde (ohne Berücksichtigung von Kosten und Steuern).
Berechnung des Bewertungsfaktors
Die Formel zur Ermittlung des Bewertungsfaktors lautet:
Bewertungsfaktor = Kaufpreis ÷ Jahresnettokaltmiete
oder umgekehrt:
Immobilienwert = Jahresnettokaltmiete × Bewertungsfaktor
Die Jahresnettokaltmiete ist dabei die Summe aller Mieteinnahmen innerhalb eines Jahres ohne Nebenkosten (Kaltmiete) und ohne Berücksichtigung von Leerständen oder Betriebskosten.
Einflussfaktoren auf den Bewertungsfaktor
Der Bewertungsfaktor wird maßgeblich durch folgende Faktoren beeinflusst:
- Lage der Immobilie: In gefragten Großstädten mit hoher Nachfrage sind die Faktoren deutlich höher als in ländlichen Regionen.
- Objektzustand: Modernisierte oder neuwertige Immobilien erzielen höhere Faktoren als sanierungsbedürftige Gebäude.
- Art der Immobilie: Wohnimmobilien, Gewerbeobjekte und Spezialimmobilien (z. B. Pflegeheime) unterscheiden sich deutlich in ihren Faktoren.
- Vermietungssituation: Langfristige Mietverträge mit solventen Mietern erhöhen den Faktor, Leerstand oder Mietrückstände senken ihn.
- Zinsniveau und Kapitalmarkt: Bei niedrigen Zinsen steigen Bewertungsfaktoren, da Investoren bereit sind, mehr für geringere Renditen zu zahlen.
- Standortentwicklung: Positive wirtschaftliche Aussichten, Infrastruktur und Stadtentwicklung treiben die Faktoren nach oben.
Bewertungsfaktoren nach Lage und Immobilientyp
In Deutschland unterscheiden sich die Bewertungsfaktoren je nach Standort und Objektkategorie stark. Als grobe Orientierung gelten folgende Werte (Stand: Marktüblich):
| Immobilientyp / Lage | Typischer Bewertungsfaktor | Bruttorendite (ca.) |
|---|---|---|
| Top-Lagen in Großstädten (z. B. München, Hamburg, Frankfurt) | 25 – 35 | 3 – 4 % |
| Mittelgroße Städte und gute Wohnlagen | 20 – 25 | 4 – 5 % |
| Kleinstädte und ländliche Regionen | 12 – 18 | 5,5 – 8 % |
| Gewerbeimmobilien | 10 – 20 | 5 – 10 % |
Je höher der Bewertungsfaktor, desto geringer die zu erwartende Mietrendite – und umgekehrt.
Zusammenhang mit der Mietrendite
Der Bewertungsfaktor steht in einem direkten Verhältnis zur sogenannten Bruttomietrendite. Diese Rendite gibt an, wie viel Prozent der Kaufpreis jährlich durch Mieteinnahmen erwirtschaftet wird. Die Faustformel lautet:
Bruttomietrendite (%) = (Jahresnettokaltmiete ÷ Kaufpreis) × 100
oder umgekehrt:
Bewertungsfaktor = 100 ÷ Bruttomietrendite
Beispiel:
Eine Immobilie hat eine Bruttomietrendite von 5 %.
→ Bewertungsfaktor = 100 ÷ 5 = 20.
Diese einfache Beziehung hilft Investoren, Immobilien auf Basis ihrer Renditeerwartungen schnell miteinander zu vergleichen.
Bedeutung des Bewertungsfaktors in der Immobilienbewertung
Der Bewertungsfaktor ist insbesondere bei Ertragswertverfahren und Investorenanalysen von Bedeutung. Er dient als Orientierungshilfe bei der Preisfindung und spiegelt das aktuelle Marktumfeld wider. Je nach Risikoeinschätzung und Lage variiert der Faktor erheblich:
- Hoher Bewertungsfaktor: spricht für begehrte Lagen und stabile Mieteinnahmen, aber geringere Rendite.
- Niedriger Bewertungsfaktor: deutet auf höhere Renditen hin, birgt jedoch oft höhere Risiken (z. B. Leerstand, strukturschwache Region).
In der professionellen Immobilienbewertung wird der Bewertungsfaktor meist aus vergleichbaren Transaktionen und Marktdaten abgeleitet – etwa aus Gutachterausschüssen oder Immobilienmarktberichten.
Bewertungsfaktor vs. Kapitalisierungsfaktor
Der Bewertungsfaktor wird oft mit dem Kapitalisierungsfaktor verwechselt, unterscheidet sich aber im Ansatz:
- Bewertungsfaktor: empirisch ermittelter Multiplikator aus Markttransaktionen; einfaches Vergleichsinstrument.
- Kapitalisierungsfaktor: rechnerisch abgeleitet aus dem Kapitalisierungszinssatz im Ertragswertverfahren (§§ 17–20 ImmoWertV); Teil der sachverständigen Bewertung.
Während der Bewertungsfaktor auf realen Marktpreisen basiert, berücksichtigt der Kapitalisierungsfaktor detailliert die Restnutzungsdauer, Instandhaltungskosten und Bewirtschaftungsausgaben.
Vor- und Nachteile des Bewertungsfaktors
Vorteile:
- Einfache, schnelle Einschätzung des Immobilienwerts.
- Praktisches Vergleichsinstrument für Investoren und Makler.
- Orientierung an realen Marktdaten.
Nachteile:
- Keine Berücksichtigung individueller Objektmerkmale oder Instandhaltungskosten.
- Abhängig von regionalen Markttrends und Schwankungen.
- Nicht geeignet für leerstehende oder eigengenutzte Immobilien.
Fazit: Bewertungsfaktor – kompakte Kennzahl mit hoher Aussagekraft
Der Bewertungsfaktor ist eine der wichtigsten Kennzahlen für die schnelle Bewertung von Anlageimmobilien. Er ermöglicht eine einfache Einschätzung des Marktwerts anhand der Mieteinnahmen und spiegelt die aktuelle Marktsituation wider. Auch wenn er keine detaillierte Wertermittlung ersetzt, ist er ein effizientes Analyseinstrument für Investoren, Makler und Gutachter, um Kaufpreise zu vergleichen, Renditen zu prüfen und Investitionsentscheidungen fundiert zu treffen. Wer den Bewertungsfaktor richtig einordnet, kann Chancen und Risiken einer Immobilie auf einen Blick erkennen.




