Der Bedarfsausweis ist eine Form des Energieausweises, die den energetischen Zustand eines Gebäudes auf Grundlage von bauphysikalischen Berechnungen bewertet. Im Gegensatz zum Verbrauchsausweis, der auf tatsächlichen Verbrauchsdaten basiert, ermittelt der Bedarfsausweis den theoretischen Energiebedarf eines Gebäudes – unabhängig vom individuellen Heizverhalten der Bewohner. Er zeigt damit objektiv, wie energieeffizient die Bausubstanz und die Heizungsanlage sind und dient als wichtiger Indikator für den Energieverbrauch und die Betriebskosten einer Immobilie.
Was ist ein Bedarfsausweis?
Der Bedarfsausweis ist ein Energieausweis auf Basis einer technischen Analyse des Gebäudes. Er bewertet den Energiebedarf, der rechnerisch erforderlich ist, um eine durchschnittliche Innentemperatur bei normaler Nutzung zu erreichen. Dabei werden bauliche Eigenschaften wie Wärmedämmung, Fensterqualität, Luftdichtheit und Heiztechnik berücksichtigt. Grundlage ist die Gebäudeenergiegesetz (GEG), das seit November 2020 die frühere Energieeinsparverordnung (EnEV) abgelöst hat.
Der Bedarfsausweis bietet somit eine unabhängige, standardisierte Beurteilung des energetischen Zustands – ideal für Käufer, Mieter und Investoren, die den Energieverbrauch eines Gebäudes objektiv einschätzen möchten.
Rechtliche Grundlage
Die Pflicht zur Ausstellung eines Energieausweises – und damit auch des Bedarfsausweises – ist im §§ 80–88 des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) geregelt. Dort ist festgelegt, dass Eigentümer bei Verkauf, Vermietung oder Verpachtung einer Immobilie einen gültigen Energieausweis vorlegen müssen. Der Bedarfsausweis ist eine der beiden zulässigen Varianten, die den energetischen Zustand dokumentieren.
Das GEG schreibt außerdem vor, dass der Ausweis nur von zertifizierten Fachleuten (z. B. Architekten, Bauingenieuren, Energieberatern) erstellt werden darf. Der Energieausweis ist in der Regel 10 Jahre gültig.
Wie wird der Bedarfsausweis erstellt?
Die Erstellung eines Bedarfsausweises erfordert eine detaillierte Analyse des Gebäudes. Der Energieberater oder Sachverständige erfasst vor Ort alle relevanten Daten und berechnet auf Grundlage normierter Verfahren den theoretischen Energiebedarf. Berücksichtigt werden unter anderem:
- Art und Qualität der Dämmung (Dach, Wände, Kellerdecke),
- Fenster- und Türqualität (Wärmeschutzverglasung),
- Baujahr und Zustand der Heizungsanlage,
- Art der Warmwasserbereitung,
- Gebäudegeometrie und Luftdichtheit,
- Art der Lüftung (z. B. mit oder ohne Wärmerückgewinnung).
Die Berechnung erfolgt nach standardisierten Verfahren gemäß DIN V 18599 oder DIN 4108/4701. Das Ergebnis ist der Endenergiebedarf (in kWh/m²a) – also der theoretische Energiebedarf pro Quadratmeter und Jahr.
Unterschied zwischen Bedarfsausweis und Verbrauchsausweis
Beide Varianten des Energieausweises dienen der energetischen Bewertung eines Gebäudes, beruhen aber auf unterschiedlichen Grundlagen:
| Kriterium | Bedarfsausweis | Verbrauchsausweis |
|---|---|---|
| Datengrundlage | Technische Analyse (Bausubstanz, Heiztechnik) | Tatsächlicher Energieverbrauch der letzten 3 Jahre |
| Einfluss durch Nutzerverhalten | Keine – objektive Berechnung | Stark abhängig vom Heizverhalten der Bewohner |
| Geeignet für | Alle Gebäude, insbesondere Altbauten | Mehrfamilienhäuser mit einheitlicher Nutzung |
| Genauigkeit | Höher – bauphysikalisch berechnet | Schwankt je nach Nutzung |
Der Bedarfsausweis gilt daher als präziser und vergleichbarer, da er unabhängig vom Verhalten der Bewohner ist.
Wann ist ein Bedarfsausweis Pflicht?
Gemäß § 80 GEG ist ein Bedarfsausweis insbesondere in folgenden Fällen vorgeschrieben:
- für Neubauten,
- bei Altbauten mit weniger als fünf Wohneinheiten, die vor 1977 errichtet wurden und nicht dem Wärmeschutzstandard der Wärmeschutzverordnung von 1977 entsprechen,
- wenn keine ausreichenden Verbrauchsdaten vorliegen (z. B. leerstehende Gebäude),
- bei umfassenden Sanierungen oder Modernisierungen.
Für neuere oder gut gedämmte Gebäude kann alternativ ein Verbrauchsausweis erstellt werden, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Inhalte des Bedarfsausweises
Ein Bedarfsausweis enthält mehrere zentrale Angaben, die für Käufer und Mieter relevant sind. Dazu gehören:
- Adresse und Gebäudetyp,
- Baujahr des Gebäudes und der Anlagentechnik,
- Energiekennwerte (Endenergiebedarf und Primärenergiebedarf),
- Energieeffizienzklasse (A+ bis H),
- Angaben zur Heizungsart und zu den verwendeten Energieträgern,
- Empfehlungen zur energetischen Sanierung,
- Gültigkeitsdauer und Ausstellungsdatum,
- Name und Zulassungsnummer des Ausstellers.
Der wichtigste Kennwert ist der Endenergiebedarf, angegeben in Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m²a). Er zeigt, wie viel Energie für Heizung, Warmwasser und Lüftung rechnerisch erforderlich ist.
Energieeffizienzklassen
Wie beim Haushaltsgeräte-Label wird auch im Energieausweis die Energieeffizienzklasse angegeben. Sie reicht von A+ (sehr energieeffizient) bis H (hoher Energiebedarf):
- A+ / A: Sehr effizient (Passiv- oder Niedrigenergiehaus)
- B – C: Gute bis durchschnittliche Energiebilanz
- D – E: Sanierungsbedarf wahrscheinlich
- F – H: Hoher Energieverbrauch, dringender Modernisierungsbedarf
Der Bedarfsausweis macht diese Einstufung transparent und erlaubt den Vergleich verschiedener Immobilien hinsichtlich ihrer Energieeffizienz.
Vorteile des Bedarfsausweises
Der Bedarfsausweis bietet zahlreiche Vorteile, insbesondere für Eigentümer und Kaufinteressenten:
- Objektive Bewertung: Unabhängig vom individuellen Nutzungsverhalten.
- Hohe Genauigkeit: Durch technische Analyse und standardisierte Berechnung.
- Rechtssicherheit: Anerkanntes Dokument nach dem Gebäudeenergiegesetz.
- Transparenz: Zeigt energetische Schwachstellen und Sanierungspotenzial auf.
- Fördergrundlage: Voraussetzung für bestimmte staatliche Förderprogramme (z. B. KfW, BAFA).
Kosten eines Bedarfsausweises
Die Kosten für einen Bedarfsausweis hängen vom Gebäudetyp und dem Aufwand der Datenerhebung ab. Durchschnittlich liegen sie bei:
- Einfamilienhaus: ca. 300–500 €
- Mehrfamilienhaus: ca. 400–800 €
Wird der Ausweis im Rahmen einer Energieberatung oder Sanierungsplanung erstellt, können Fördermittel die Kosten teilweise übernehmen.
Fazit: Bedarfsausweis – verlässliche Energiekennzahl für Immobilien
Der Bedarfsausweis liefert eine objektive und vergleichbare Einschätzung des energetischen Zustands einer Immobilie. Er bewertet nicht das Verhalten der Nutzer, sondern die Qualität der Gebäudehülle und der Anlagentechnik. Damit ist er vor allem bei älteren Gebäuden ein wichtiges Instrument zur Bewertung des Sanierungsbedarfs und zur Transparenz beim Immobilienkauf oder der Vermietung. Wer seine Immobilie verkaufen oder energetisch modernisieren möchte, sollte auf einen aktuellen Bedarfsausweis setzen – er schafft Vertrauen, Rechtssicherheit und zeigt gleichzeitig energetische Einsparpotenziale auf.




